Fang hässlich an!

Hände/Arm

Fast jeder Künstler kennt das: man fängt sein Bild sorgfältig an, vielleicht noch mit einer genauen Vorzeichnung, zunächst ist man auch ganz begeistert, was da entsteht, aber je mehr man dann Farbe aufträgt, desto „schlimmer“ wird es! Bis hin zu dem Stadium, wo man davon überzeugt ist, dass man das Bild nun restlos verdorben hat und man es am besten vernichtet oder in die Ecke stellt. Dort sammeln sich dann oft viele unfertige Bilder, die eines gemeinsam haben: Sie befinden sich in ihrer Pubertät, wie ich es gerne nenne, ihrem „ugly stage“ oder „messy middle“, dem hässlichen Stadium. Ungelenk, schlaksig, schrill, unharmonisch, Pickel, schlecht gelaunt, die Proportionen verschoben und zu lange Arme und Beine.



Normalerweise durchläuft jedes Bild so eine hässliche Phase. Viele geben genau dann auf – aber hier heißt es „Augen zu und durch“! Nun bist du da, wo es nur noch besser werden kann! Wie im richtigen Leben haben sich auf deiner Leinwand nun Probleme angehäuft, die es zu lösen gilt. Du darfst dich fragen „stimmen die Farben, was harmoniert nicht und warum, ist die Komposition ok? Was muss ich evtl. an der Perspektive ändern, an den Größenverhältnissen? 

Nun ist die Phase erreicht, wo man immer öfter Abstand nehmen muss, ein paar Schritte zurücktreten und sich einen größeren Überblick verschaffen. Oft ist man nämlich anfangs so im Schaffensprozess versunken, dass man dabei betriebsblind wird, d.h. man sieht sogar die offen-sichtlichsten Fehler nicht mehr.

Als ich das erkannt hatte, habe ich eines Tages beschlossen, doch am besten gleich mit einem hässlichen Gemälde anzufangen. Ich habe die genaue Vorzeichnung einfach weggelassen, nur die groben Bereiche des Motivs angelegt, und mich von hässlich zu schöner vorgearbeitet. Vor allem aber von einfach zu komplex.

Dabei habe ich festgestellt, dass ich dadurch die Proportionen viel besser erfassen konnte als mit einer genauen Vorzeichnung. Und mir macht diese Art zu malen tatsächlich mehr Spaß. Das mag daran liegen, dass ich mir die unvermeidlichen Probleme gleich erschaffe und sofort mit der Problemlösung loslegen kann. Aber das ist mein ganz persönliches „Warum“. Warum male ich? Da hat jeder eine andere Antwort. Ich habe festgestellt, dass ich es aus irgendeinem unerfindlichen Grund faszinierend finde, Probleme zu lösen und etwas immer besser zu machen. Aus alt mach neu. Ich würde auch lieber ein altes Haus renovieren statt ein nagelneues zu bauen. Damit wäre ich sogar total überfordert. Zu viele Möglichkeiten, zu viele Entscheidungen. Aber aus etwas bereits Existierendem etwas Neues entstehen zu lassen, das macht mir Spaß. Da hat man schon einen Rahmen vorgegeben, innerhalb dessen man agieren muss. Je vergammelter das Haus, desto befriedigender ist es, etwas Schönes daraus zu machen. Ich liebe auch die Geschichte vom hässlichen Entlein, in der sich das zunächst hässliche Entlein später als stolzer Schwan entpuppt. Das mag etwas damit zu tun haben.

So weiß ich mittlerweile auch, wann ein Bild für mich fertig ist: Wenn es keine Probleme mehr zu lösen gibt!



Denn rein theoretisch kann man an einem Bild immer wieder etwas ändern, es wird dabei aber nicht immer unbedingt besser, auch nicht unbedingt schlechter – meist eben einfach nur „anders“. Also muss man entscheiden, wann der richtige Zeitpunkt ist, aufzuhören.

Und man muss auch den Mut haben, manche „Fehler“ stehen zu lassen. Sie gehören zu dem Leben des Kunstwerkes dazu. Denn es wurde von Menschenhand so erschaffen. Es ist so auf-gewachsen, es erzählt seine Entstehungsgeschichte. Ich habe schon so viele Fehler in alten Meisterwerken entdeckt! Denn nichts und niemand ist fehlerfrei, zumindest nichts natürlich entstandenes. Sind nicht Menschen mit kleinen Schönheitsfehlern auch viel interessanter als makellose Schönheiten, an denen man sich schnell satt gesehen hat?

Also habe ich ein neues Ziel definiert: Ich male (und löse „Probleme“), bis ICH das Bild annehmen kann, so wie es ist. Wie man sein Kind annimmt, so wie es ist. Mit allen Macken und Unzulänglichkeiten. Und es einen nicht mehr kümmert, was andere Leute denken mögen.

MONA LUNA Start
MONA LUNA Start
MONA LUNA Mitte
MONA LUNA Mitte
MONA LUNA Endbild
MONA LUNA Endbild